Betreff
Antrag auf Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zur Errichtung eines Schweinemaststalles im OT Schierloh - Beratung und Beschlussfassung
Vorlage
01/632/2021
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Der Landwirt Lammertmann beantragt ein Bebauungsplanverfahren für die Errichtung eines Schweinemaststalles auf seiner Hofstelle im Ortsteil Schierloh durchzuführen.

 

Hintergrund ist, dass das geplante Vorhaben nicht mehr einer landwirtschaftlichen Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch entspricht.

 

Die hierzu unter anderen notwendige Bedingung einer „überwiegend eigenen Futtergrundlage" ist dann erfüllt, wenn auf den Eigentumsflächen allein oder mit den (langfristig) gepachteten Flächen zusammen mehr als 50 % des für den Tierbestand erforderlichen Futters erzeugt werden könnte.

Dieses Kriterium erfüllt der Antragsteller nicht, so dass ein „normales“ Bauantragsverfahren hier nicht zur Anwendung kommt.

 

Eine Genehmigung könnte erteilt werden, wenn stattdessen ein Bebauungsplan für das geplante Bauvorhaben aufgestellt wird. Die Einleitung eines solchen Verfahrens in diesem Falle wird auch vom HOL und der Landwirtschaftskammer begrüßt.

 

Vergleichbare Verfahren wurden im Landkreis bisher nur vereinzelt durchgeführt. Unter anderem wurden vergleichbare Bauleitplanverfahren in der Samtgemeinde Artland und der Gemeinde Ostercappeln durchgeführt.

 

Um eine Handhabung bei künftig vergleichbaren Sachverhalten zu erlangen, wurden in Ostercappeln und der Samtgemeinde Artland gemeinsam mit dem Hauptlandvolkverband Kriterien für die Einleitung von Bauleitplanverfahren entwickelt.

Die dort bereits in 2015 entwickelten Kriterien sind Abstimmung mit dem HOL auch heute noch aktuell und können auch hier Anwendung finden.

 

 

Zum rechtlichen Hintergrund:

 

Hühner, Schweine, Rinder und Puten werden heute in der Regel in Stallanlagen konzentriert gehalten (Intensivtierhaltung). In den letzten Jahrzehnten sind dabei immer größere Stall-anlagen entstanden. Der hierdurch möglichen effizienten und preiswerten Produktion von Fleisch und sonstigen hochwerten tierischen Lebensmitteln stehen jedoch auch negative Auswirkungen gegenüber, wie z. B. erhebliche Mengen Gülle, Lärm, Staub und Geruchsbelastungen.

Der Außenbereich, eine über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft, geprägt durch eine bäuerlich/landwirtschaftliche Nutzung, entwickelt sich dabei mehr und mehr zu einem Standort für gewerblich/industrielle Tierhaltungsanlagen. Die Umweltauswirkungen sind dabei teilweise erheblich und oftmals mit einer „Zersiedelung“ des Außenbereichs verbunden.

 

Wenn ein Vorhaben weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 Baugesetzbuch) liegt, noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauter Ortsteils (§ 34 Baugesetzbuch), dann liegt das Vorhaben planungsrechtlich betrachtet, im Außenbereich.

 

Der Außenbereich soll dabei grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden. Nur bestimmte bauliche Vorhaben werden im Außenbereich zugeordnet, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihrem Wesen nach in den Außenbereich gehören. Die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich richtet sich dabei nach § 35 Baugesetzbuch. Hier werden privilegierte und nicht privilegierte Vorhaben unterschieden. Die privilegierten Vorhaben werden abschließend im § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch aufgezählt. Hierzu gehören u.a. Vorhaben, die einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen.

Privilegierte Vorhaben sind zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist. Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist. Beispiele für öffentliche Belange sind im § 35 Abs. 3 Baugesetzbuch (nicht abschließend) aufgeführt.

 

Tierhaltungsanlagen sind nach § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiert. Hierbei werden zwei Fälle unterschieden, Tierhaltungsanlagen können

 

- als landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen (§ 35 Abs. 1 Baugesetzbuch) oder

- als gewerbliche Tierhaltungsanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch) genehmigt werden.

 

Tierhaltungsanlagen, die landwirtschaftlichen Betrieben mit überwiegend eigener Futtergrundlage dienen, werden in der Regel auf Basis von § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch zugelassen. Die Bedingung „überwiegend eigene Futtergrundlage“ ist dann erfüllt, wenn auf den Eigentumsflächen allein oder mit den (langfristig) gepachteten Flächen zusammen mehr als 50 % des für den Tierbestand erforderlichen Futters erzeugt werden könnte. Ferner muss der geplante Stall in räumlicher Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb liegen. Der Stall soll dem Betrieb dauerhaft dienen und beide (Stall und Betrieb) müssen demselben Eigentümer gehören.

 

Stallanlagen, die die Bedingungen zur Genehmigung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch nicht erfüllen, können als gewerbliche Tierhaltungsanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 privilegiert sein. Auf Basis dieser Rechtslage wurden auch im Landkreis Osnabrück die meisten gewerblichen Tierhaltungsanlagen genehmigt. Auf Grund umfassender Kritik u.a. der kommunalen Spitzenverbände an der Vielzahl von Genehmigungsanträgen für gewerbliche Stallanlagen sowie der damit verbundenen städtebauliche Konflikte wurde § 35 Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch im Zuge der Baugesetzbuchnovelle 2013 geändert.

Die aktuelle Fassung lautet:

 

„Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegen-stehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.    wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nr. 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Errichtungen verbunden sind, …“.

 

Daraus wird deutlich, dass gewerbliche Tierhaltungsanlagen auch weiterhin nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch im Außenbereich zulässig sein können, jedoch mit der Einschränkung, dass sie nicht UVP-pflichtig oder UVP-vorprüfungspflichtig sind. Der niedrigste Schwellen-wert, der zu beachten ist, ist der Schwellenwert, der eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich machen würde. Dies bedeutet, gem. Anlage 1 zum UVPG Nr. 7.1 bis 7.10 folgende Tierbestandszahlen ab denen Privilegierung nicht mehr greift:

 

Intensivhaltung oder Aufzucht von:

 

 

Werden die vorstehend genannten Schwellenwerte erreicht, gilt die gewerbliche Tierhaltungsanlage nicht mehr als privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch. Es wäre dann als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch zu bewerten. Vorhaben hiernach beeinträchtigen jedoch regelmäßig öffentliche Belange, demnach wäre für die Errichtung, Änderung oder Erweiterung derartiger gewerblicher Tierhaltungsanlagen ein Bebauungsplan erforderlich.

 

Es stellt sich die Frage, ob nach der Änderung des Baugesetzbuches und den hierdurch eingetretenen Einschränkungen gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich eine planungsrechtliche Steuerung überhaupt vorgenommen werden soll oder nicht. Diese Frage nach dem „Planungsbedürfnis“ kann nur entsprechend den tatsächlich bestehenden bzw. künftig zu erwartenden städtebaulichen Problem durch Tierhaltungsanlagen oder nach Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Stallneubauten (z. B. zur Sicherung landwirtschaftlicher Betriebe) beantwortet werden.

 

Grundsätzlich ist z. B. bei fehlender niedriger Konfliktlage auch eine Nullvariante, also der Verzicht auf eine planungsrechtliche Steuerung möglich. Eine Erweiterung insbesondere heimischer Betriebe wäre dann nur innerhalb einer Einzelfallentscheidung möglich und würde keine offensive Steuerung oder Darstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes darstellen.

 

Bei der Aufstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen ist es, wie bei der Ausweisung von Windenergievorrangzonen erforderlich, das gesamte Gemeindegebiet in Hinblick auf Ausschluss, Restriktions- und Potentialflächen für Tierhaltungsanlagen zu untersuchen. Dabei können auch die bereits bestehenden Tierhaltungsanlagen mit einbezogen werden. Diese Art der Steuerung ermöglicht auch eine Ansiedlung von gewerblichen Betrieben, die bisher nicht in der Gemeinde Glandorf  ihren Standort haben.

Mit relativ geringem Aufwand ist eine abgeschwächte informelle Steuerungsvariante denkbar. So könnte z. B. von der Kommune ein Katalog mit Bewertungskriterien erarbeitet werden, auf dessen Grundlage die Kommune entscheiden kann, ob und bis zu welchem Tierbestandszahlen eine entsprechende Bauleitplanung begonnen werden soll.

 

Den Weg der Aufstellung eines Kriterienkataloges haben bereits die Samtgemeinde Artland und die Gemeinde Ostercappeln im Landkreis Osnabrück eingeschlagen.

 

In Abstimmung mit dem HOL wurde dort vorgeschlagen, eine entsprechende Positivliste bis zu welchen Tierzahlen ein Planverfahren begonnen wird, zu beschließen. Diese Tierzahlen liegen wie folgt vor:

 

 

Hierbei soll das Planverfahren eingeleitet werden, wenn die Bauortgemeinde das Bauvorhaben befürwortet, jedoch nur für Stallvorhaben, die die Schwellenwerte für eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Schwellenwerte zum UVPG nicht überschreiten. Weitere obligatorische Bedingungen zur Einleitung eines Bauleitplanverfahrens sind:

 

a) Das Vorhaben widerspricht grundsätzlich nicht den öffentlichen Belangen im Sinne des BauGB. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1. den Darstellungen eines Landschaftsplanes oder sonstigen Planes insbesondere Wasser, Abfall oder Immissionsschutzrecht widerspricht,

2. schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann,

3. unwirtschaftliche Aufwendungen für Straße oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,

4. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtig oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,

5. Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet.

 

b) Die Möglichkeit der gemeindlichen Siedlungsentwicklung wird nicht beeinträchtigt, da der Abstand sowohl zur vorhandenen und langfristig geplanten Wohn- und Gewerbeflächen sowie Freizeiteinrichtungen, als auch vorhandene Einzelwohnhäuser ausreichend ist.

 

c) Das Bauvorhaben muss aus einem aktiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb erwachsen und in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Kernbetrieb stehen. Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorhaben auf der Hofstelle selbst oder auf einer benachbarten Fläche in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle entsteht.

 

d) Der landwirtschaftliche Betrieb muss seinen Sitz sowohl bei der Antragstellung als auch während des Genehmigungsverfahrens und bei Inbetriebnahme des Bauvorhabens in der Bauortgemeinde haben und Inhaber geführter Vollerwerbsbetrieb sein. Der Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes oder Verwandte ersten Grades in gerader Linie führen den Betrieb. Aus steuerlichen Gründen gebildete Kapital- und Personengesellschaften sind antragsberechtigt, wenn der Sitz in der Bauortgemeinde ist und die Mehrheit der Gesellschaftsanteile beim im Satz 2 genannten liegt.

 

In Abstimmung mit dem Hauptverband des Osnabrücker Landvolkes kann der bereits im Artland und in Ostercappeln umgesetzte Kriterienkatalog auch für die Gemeinde Glandorf als Grundlage dienen.

 

 

 


Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Rat beschließt, den mit dem Hauptverband des Osnabrücker Landvolks (HOL) abgestimmten Kriterienkatalog mit den angeführten Tierplätzen unter Beachtung der Punkte a) bis d) anzuwenden. Die Verwaltung wird beauftragt, bei entsprechenden Bauanträgen Aufstellungsbeschlüsse für Bauleitplanverfahren zur Beschlussfassung vorzubereiten. Die Kosten der Bauleitplanverfahren sind vom Veranlasser zu tragen. Entsprechende städtebauliche Verträge sollen vor der Vergabe von Planungsaufträgen herbeigeführt werden.

 

  1. Für den in der Anlage markierten Bereich wird der Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplanes sowie Aufstellung eines Vorhabenbezogenen Bebauungsplanes gefasst.